Lebensgefühl Rockmusik HH aus EE
                                      Ich bin der  RockRentner im Harz
          und berichte hier von meinen Wanderungen, Begegnungen und Erlebnissen (nicht nur) im Harz.
Wanderung um den Oderteich                                                                                              27.09.2023 Altweibersommer, Ende September, Sonnenschein pur und Mittwoch. Der Kalender meint, dies wäre mein Tag „47“ und Grund, etwas Besonderes anzustellen. Eigentlich wollte ich den Brocken wandernd erobern, aber den Oderteich zu umrunden, ist als Alternative ebenso reizvoll. Gegen 10.00 Uhr steht das Auto nahe der Hummel-Maaß-Hütte auf dem Parkplatz. Die Idee, dieses Areal zu erkunden, wurde während einer Wanderung zum Dreieckigen Pfahl geboren ( HIER ). Ein Wasserlauf entlang des Weges erwies sich als die Oder im Harz und die bringt Wasser aus dem Hochmoor zum Oderteich auf ca. 700 Meter. Die Exkursion soll meine Neugier stillen und ich möchte die, bis zum Ende des 19 Jahrhunderts größte Talsperre Deutschlands, erkunden. Das erste, was auffällt, ist der verdammt niedrige Wasserstand. Da war schon mal mehr Flüssigkeit zu sehen und dann denke ich an die heißen Sommer vergangener Jahre und den ausbleibenden Regen in der gleichen Zeit. Dieser Wasserstand zeugt davon. Dennoch fasziniert mich der Blick auf den See im gleichen Augenblick: stahlblauer Wasserspiegel und darüber das Himmelblau des Tages. Man muss die Schönheit nur sehen und dann auch entdecken wollen. Wir beschließen, entgegen dem Uhrzeigerlauf den See zu umrunden. Zunächst verzaubert mich ein Blick über den Oderteich, von der Straße, bis irgendwo weit hinten, wo dichte Bäume eine Grenze bilden. Rechts von mir recken sich, wie Zeugen längst vergangener Zeiten, neun steinerne Monolithe aus dem Sand der Uferböschung. Die Steine muten außerirdisch an, haben aber einen ganz irdischen Zweck zu erfüllen. Sie zerbrechen das Eis während der Schneeschmelze, um Schäden in der Auslaufrinne des Teiches zu verhindern. Irgendwie ein unwirklich grandioses Bild, das uns der beinahe halbleere Teich da anbietet. Doch schon wenige Schritte später, die Eisbrecher jetzt im Rücken, beginnt die eigentliche Entdeckungsreise entlang des vier Kilometer langen Uferweges. Gleich die ersten Schritte über eine hölzerne Brücke gleichen dem Eintauchen in eine Naturwelt des Werdens und Vergehens. Zwischen vielen jungen halbhohen Nadelbäumen verrotten graue und tote Baumriesen und deren Wurzelstümpfe wie in einem Kampf Grün gegen Grau. Minutenlang gehen wir durch ein scheinbar apokalyptisches Areal, in dem frisches Leben um sich schlägt, um sich Raum zu verschaffen. Die Verlierer liegen längst am Boden oder recken sich erstarrt und einsam in den blauen Himmel. Deren Los ist längst schon entschieden. Wir wandern zunächst auf einem Kiesweg, dann auf hölzernen Blanken über morastiges Gras am Seeufer entlang. Bizarre erstarrte Holzgestalten säumen den Weg, begleiten den Wanderer bis zu einem Waldstück aus jungen, grünen Tannen. Immer wieder ändern sich die Perspektiven, wechseln die Aussichten zum Wasser, entdecke ich reizvolle Flecken und versteckte Details. Es ist wie Sattsehen ohne Ende und Staunen, was die Natur von ganz allein regelt. Im besten Falle sind wir Menschen Zuschauer, vom Gestalten vielerorts weit entfernt. Viel zu oft sind wir eher Ausbeuter und Zerstörer geworden. Da fühlt es sich egoistisch und zugleich dankbar an, mit 74 Lenzen diese halbwegs intakte Natur genießen zu dürfen. Wir erreichen eine kleine Holzbrücke über einen munter plätschernden Gebirgsbach: die Oder. Hier also mündet das Rinnsal vom Oberlauf als Bächlein in den Teich. Ein Flecken Natur, erholsame Stille, viel Grün und Wasser. Käme jetzt ein Troll(patsch) daher, hätte ich eine sagenhafte Begegnung. Doch so ein Treffen bleibt aus. Das hintere Ende vom Bodeteich ist noch nicht erreicht, der Weg durch eine Lichtung und Wald windet sich weiter. Wir folgen ihm und einigen Wanderern, die uns überholen. Aus einer Senke glitzert uns bald ein weiterer Bach entgegen. Eine Brücke überwindet ihn und dann ist die Stempelstelle Sonnenkappe erreicht. Hier gönnen wir uns, am Bachufer und im Schatten sitzend, zur Mittagsstunde eine kleine Pause. Stempel Nr. 217 landet im Wanderheft. Aus drei verschiedenen Richtungen Treffen Wanderer ein und einer der Hunde nimmt ein erfrischendes Bad im Bachlauf. Die Sonne taucht diesen Ort in herbstliche Farben und sie lässt tausende Wasserperlen im Bach glitzern. Auch die Zeit scheint auszuruhen und in den Gesichtern von Fremden findet man Lächeln und Zufriedenheit. Kein Mensch braucht Neid, Hass und Missgunst, jedenfalls nicht zum Glücklichsein! Menschen, die ich beim Wandern treffe, sind meist offen, auf der Suche oder haben einfach nur Lust auf Bewegungen im Freien. Keine Internetplattform kann das bieten. Sie kann bestenfalls hinweisen. Sich aufraffen, sich bewegen und selbst entdecken, das muss man aktiv tun. Deshalb bin ich hier. Minuten später sind wir am anderen Flussufer unterwegs, zurück zum Ausgangspunkt. Der hügelige Weg führt durch dichten grünen Nadelwald. Die Böschung zum See allerdings ist oft übersät mit viel Todholz, das allmählich verwittert. Der Mündungsbereich beider Bäche ähnelt einer Deltalandschaft, wie man sie aus Naturfilmen kennt. Der Weg windet sich am Ufer entlang und manchmal geben die Bäume den Blick über das Wasser zum gegenüber liegenden Uferstreifen frei. Inzwischen ist mir das Gefühl für die Zeit abhanden gekommen. Die Sonne steht im Zenit und wir folgen den Windungen in den Uferwald hinein bis zur nächsten Kurve und übernächsten und so weiter. Dann endlich ein Abzweig zum Oderteich, hinab zum Ufer und damit zu einem Badebereich. Plötzlich wieder freie Sicht auf die glitzernde Wasserfläche, auf den sich windenden Uferstreifen und das Blau des Himmels darüber. Ein Anblick von Stille, Ursprünglichkeit und schlichter Schönheit. Den Moment kann ich genießen, mich daran erfreuen. Ich habe gerade eine völlig  andere Facette des Gebirges für mich entdeckt, obgleich ich schon oft hier vorbei gefahren bin – aber eben vorbei, ohne zu halten und zu sehen. So geht es sicher vielen auch und plötzlich kommt man aus dem Staunen nicht mehr raus. Die Badestelle ist von riesigen Klamotten geprägt. Die liegen überall herum, ohne den Gesamteindruck zu stören. Im Gegenteil, sie geben diesem Flecken Natur eine besondere Note, nehmen ihm Sterilität, die man an anderen ähnlichen Orten oft findet. Einige Wagemutige nehmen sogar ein Bad und deren Gefühle kann man überall hören. Gebirgswasser ist kalt, sehr kalt! Nach reichlich drei Stunden hat die Tour um den Oderteich einen Abschluss gefunden. Am Parkplatz, der jetzt voll ist, spüre ich so etwas wie Appetit. Hinter Braunlage löffeln wir bei Kucki eine Erbsensuppe mit Bockwurst. Vor Jahren fand man diesen Ort noch mitten im Wald. Hier standen Fichten dicht an dicht und im Winter versank man im Schnee bis zum Knie reichte. Jetzt im Altweibersommer stehen nur ein paar vereinzelte Bäume, der einst bewaldete Berghang ist kahl, aber die Erbsensuppe schmeckt noch immer nach der Wanderung, ganz egal, ob gerade Winter oder Sommer ist. Wer kann schon von sich sagen, an seinem Geburtstag Nummer 74 mitten im Harz Erbsensuppe gelöffelt, statt Kaffeekränzchen veranstaltet zu haben. Und nächstes Jahr – same procedure as last year.